Malwine Stauss: Flügel aus Erde
Der poetische Ausstellungstitel bringt zwei vermeintlich gegensätzliche Elemente in Dialog: Erde steht für Substanz und Beständigkeit, für Ursprung und Nährboden. Flügel dagegen verkörpern Leichtigkeit und Aufbruch, stehen für Träume und Alternativen. Diese Verbindung wird in den Keramiken konkret erfahrbar – etwa wenn eine Figur in standfester Kontrapost-Haltung mit massigem Fußbereich am Boden verankert ist, während Flügel, Farbigkeit und Auftreten nach außen streben.


Die 1993 in Dresden geborene Künstlerin studierte Grafik-Design und Illustration an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, bevor sie zur Keramik wechselte. Ihre glasierten Tonarbeiten zeigen unterschiedliche Ausprägungen von Stärke: Metallisch glänzende Oberflächen erinnern an Rüstungen aus Dornenranken, große Hände verweisen auf Gestaltungskraft, Mimiken und Gestiken strahlen Selbstbewusstsein aus. Ergänzt werden die Keramiken durch Aquarelle, in denen die Künstlerin ihre Formensprache entwickelte.

Stauss‘ Arbeiten treffen auf einen Zeitpunkt, in dem Keramik in der bildenden Kunst eine Renaissance erlebt. Ihre farbenfrohen Figuren wollen nicht nur ästhetisch gefallen, sondern bieten bewusst alternative Narrative zu einer Welt der Einzelkämpfer – sie entwerfen Gemeinschaft und andere Zukünfte. Sie laden ein zu einem anderen Verständnis von Stärke – eines, das weder heroische Heldengeschichten feiert noch in Esoterik versinkt, sondern ganz praktisch und dabei schillernd schön zeigt: Es geht auch anders.
